Audismus ist die negative und bevormundende Haltung Hörender gegenüber tauben oder schwerhörigen Personen. Die Ursache sind verinnerlichte Vorurteile und die Vorstellung, dass ein Leben ohne Gehör minderwertig ist.
Folgen sind diskriminierende Handlungen, wie z.B. Stigmatisierung, Ausgrenzung und Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung. Viele Hörende fühlen sich automatisch tauben und schwerhörigen Menschen überlegen, nur weil sie hören können. Dabei wird die Gehörlosenkultur, die Gebärdensprache und das Zugehörigkeitsgefühl als ethnische Gruppe abgewertet.
Audismus ist ein aus zwei Begriffen zusammengesetztes Wort: Das lateinische „audire“ bedeutet „hören“. -Ismus bezeichnet ein System von Geisteshaltung und Lebenseinstellung.
1975 hat der gehörlose Pädagoge Tom Humphries in seiner nicht veröffentlichten Doktorarbeit (The Creation of a Word) in Kalifornien die englische Bezeichnung „Audism“ erstmals eingeführt und definiert als „Sich-besser-Dünken“ – Verhalten gegenüber tauben Menschen von Menschen, die besser hören und sprechen können.
1992 ist der Begriff von Harlan Lane in seinem Buch „Die Maske der Barmherzigkeit“ aufgegriffen und ausführlich erläutert worden.
Zum Jahrhundertwechsel haben Dirksen Bauman und Ben Bahan von der Gallaudet-Universität den Begriff weiterentwickelt. Dann machten sie den Film „Audism unveiled“ (Enthüllung des Audismus) mit verschiedenen Erzählungen der dortigen gehörlosen Studenten und Lehrkräften zu ihren diskriminierenden Erlebnissen. Mit diesem Film ist der Audismus auch weltweit verbreitet worden.
Mehrere Ebenen werden unterschieden, wobei Übergänge fließend sein können und sich auch bei manchen tauben und schwerhörigen Personen manifestieren, wenn sie die Mentalität ihres hörenden Umfelds verinnerlichen:
- Ideologische Ebene (Geschichte, Sprache, Gesellschaft, Religion usw.
- Institutionelle Ebene (Gesetze, Medien, Bildung/Schule, Kliniken, Behörden usw.)
- Individuelle Ebene (Freunde, Familien, Kollegen usw.)
- Unbewusste Ebene (das stillschweigende Akzeptieren dominierender Normen Hörender und ihrer Privilegien)
Andere Diskriminierungsformen sind z.B. Sexismus, Rassismus und Antisemitismus.
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